Digitale Automatisierung

Welche Rolle spielen die Baugeräte bei der Baustelle 4.0? Im Interview erläutert Aksel Ringvold, CEO Hilti Schweiz AG, die Trends.

Die digitale Intelligenz erreicht die Baustelle. Eine mobile Vernetzung macht auch Baugeräte smart. Ketzerische Frage gleich zu Beginn: Was bringt es, wenn Baugeräte kommunizieren können?

Aksel Ringvold: Sehr viel. Damit erreichen wir ein neues Level der Produktivität und Effizienz. Zudem geht der Trend in Richtung Automatisierung, etwa beim Bohren. Zwar gibt es noch keine Serienproduktion von Bohrrobotern, aber sie werden kommen. Davon werden die Angestellten auf dem Bau profitieren, denn vor allem das Bohren in die Decke ist eine sehr anstrengende Arbeit, die Bohrroboter gut ausführen können.

 

Wann werden die Bohrroboter denn Marktreife erlangen?

Ringvold: Aktuell werden bereits Bohrroboter getestet. Sie sind quasi auf dem Weg zur Baustelle. Das ist auch notwendig, denn die Digitalisierung bringt es mit sich, dass sich die Planungszeit verlängert, die eigentliche Ausführungszeit aber verkürzt. Es braucht also wesentlich mehr Effizienz auf der Baustelle. Diese wird durch die Vernetzung der Baugeräte ermöglicht. Sie macht es möglich, dass Probleme rechtzeitig erkannt werden können oder dass automatisch Dokumentationen erstellt werden.

In der Industrie gab es eine signifikante Produktivitätssteigerung, als die unproduktiven Zeiten, in denen etwa das richtige Werkzeug gesucht wurde, radikal gesenkt wurde. Geht das auch auf der Baustelle?

Ringvold: Ja, und die Digitalisierung macht es möglich. Fragen wie, wo sich der Betonmischer befindet oder wann der Bohrhammer gewartet werden muss, kosten Betriebe recht viel Zeit. Mit der Digitalisierung kann man auch ein Komplettkonzept für die Betriebsmittel inklusive Werkzeugmanagement erstellen. So weiss man nicht nur immer, auf welcher Baustelle sich welches Baugerät befindet, sondern erhält auch Informationen zu seinem Zustand. Hilti, etwa, bietet die Betriebsmittelverwaltung ON!Track. Arbeiter können mit der Handy-App den Laderaum ihres Fahrzeugs scannen und sehen sofort, ob sie alle notwendigen Werkzeuge eingepackt haben. Dank den BIM-Dateien weiss man ja, welche Arbeiten ausgeführt werden sollen. Daneben vereinfacht die Digitalisierung den Wartungsprozess. Die Geräte melden selbst, wenn etwas nicht funktioniert. Das vermindert die Gefahr von Leerstandszeiten signifikant.

Existieren auch Lösungen für Kleinmaterial wie Nägel oder Dübel?

Ringvold: Es existieren bereits Regalsysteme, die melden, wenn ein Artikel auszugehen droht. Aber ich denke, die Entwicklung wird noch weiter gehen. Die Digitalisierung verändert die Logistik massgeblich. Weil genau eingeplant sein wird, wann welche Arbeiten erfolgen, werden die Lieferungen auf den Tag genau auf der Baustelle eintreffen, genau in der richtigen Menge. Der Vorteil: Auf der Baustelle muss das Material nicht mehr gelagert werden. Wir werden immer mehr verdichtet bauen müssen. Es wird also künftig weniger Platz geben auf den Baustellen. Gerade darum wird es wichtiger werden, Lagerraum einzusparen. BIM hilft uns dabei. Übrigens: Es gibt von Hilti die Möglichkeit, eine Dübel-Box einzuscannen. Mittels eines Gerätes wird dann am Baugerät automatisch das Drehmoment eingestellt. So gewinnt man mit einem geringen Aufwand an.

Was bringt Internet of Things, IoT, bei Baugeräten?

Ringvold: Die Verknüpfung zwischen Daten-Input und neuer Technologie ist interessant. Mit einer Drohne kann man Baustellen sehr schnell und genau bemessen. Das finde ich faszinierend, dass es nicht nur schnell geht, sondern auch präzise und einfach. Das ist genau die Erhöhung der Produktivität, die ich meine.

Für die Vernetzung von Baugeräten braucht es cloud-basierte Software-Lösungen. Diese einzurichten bringt doch einigen Aufwand mit sich. Lohnt es sich nur für grössere Baustellen und Bauvorhaben?

Ringvold: Die Vernetzung mittels Digitalisierung hilft allen Parteien, die an einem Bauprojekt beteiligt sind – egal ob gross oder klein. Sie macht die Mitarbeitenden produktiver und effizienter. Deshalb benötigen sie für ihre Aufgaben weniger Zeit, was sich positiv auf die Kosten auswirkt.

Was werden die Baugeräte der Zukunft können?

Ringvold: Es wird viel mehr Automatisierung geben. Da die Geräte über BIM-Informationen verfügen, wissen sie genau, wie tief gebohrt werden muss und stoppen, wenn diese Tiefe erreicht wird. Das bringt für ein Loch nur eine sehr geringe Zeitersparnis mit sich, aber auf 1000 Löcher schon eine grössere! Wobei es möglich sein wird, die Löcher mit wenig Aufwand aufzuzeichnen, zum Beispiel mittels Lichtpunkten. Die Geräte werden nicht nur Wartungsbedarf anmelden, sie werden auch die Arbeitssicherheit erhöhen, indem sie zum Beispiel melden, wenn die Staubabsaugung nicht funktioniert.

Wie muss man sich die Baustelle der Zukunft vorstellen?

Ringvold: Das Bauen der Zukunft erfolgt automatisiert, effizient und vernetzt – von der Materialauswahl über die passgenaue Vorfertigung von Baumaterialien und -teilen bis hin zur Wartung des fertigen Objekts. Ich denke, dass die Bedeutung der Vorfertigung zunehmen wird. Man sieht das zum Beispiel an Skandinavien, wo BIM schon viel stärker in die Bauwirtschaft implementiert ist. In meinen Augen bietet die Vorfertigung Bauunternehmern Chancen: Wer zuerst auf den Zug aufspringt, der kann wachsen. Die schweren Arbeiten werden automatisiert werden. So wird es auch für Frauen problemlos möglich sein, auf dem Bau zu arbeiten – sie müssen einfach ein technisches Verständnis mitbringen. Es wird künftig ohnehin viel mehr technisches Verständnis brauchen, das wird die Aufgabe spannender machen.

Hilti investiert jährlich rund 6 Prozent des Umsatzes in Forschung & Entwicklung; mit dem Ziel, dass die Hilti Kunden schneller, produktiver und sicherer bauen können. Was ist in der Pipeline?

Ringvold: Natürlich forschen wir in Richtung Vernetzung und Digitalisierung. Daneben ist die Akku-Technologie wichtig. Früher waren Akkus schwer und wenig leistungsfähig, heute können sie mehr Leistung zeigen als ein Kabelbetrieb. Sie sind auch kleiner und leichter geworden – und die Entwicklung geht weiter. Immer wichtiger wird der Service, hier tätigen wir viele Investitionen, vor allem in die Schnittstellen digitale Welt/manuelle Welt. Wir treten dabei vermehrt als Lösungsanbieter auf, nicht als Gerätehersteller. Wir arbeiten mit einem Direktvertrieb, unsere 180 Aussendienst-mitarbeitenden in der Schweiz leisten dabei sehr viele Beratungen. Sie zeigen den Kunden neue Wege auf – wir verkaufen schliesslich auch sehr viel Software. A apropos Software: Hilti entwickelt verschiedene Softwares, unter anderem Dübelberechnungsprogramme.

Die Hilti-Gruppe steigerte im Geschäftsjahr 2019 den Umsatz um 4,3 Prozent auf 5,9 Milliarden Franken, und dies trotz der Frankenstärke. Wie ist dieser unternehmerische Erfolg möglich?

Ringvold: Der Schlüssel zu unserem Erfolg sind unsere Mitarbeitenden und die engen, teils langjährigen Beziehungen zu unseren Kunden.Hilti legt einen grossen Wert auf die Förderung der eigenen Mitarbeitenden. Wir haben deshalb sehr motivierte Mitarbeitende, die Gross artiges leisten. Denn obwohl alles digitaler wird: Es sind die Menschen, welche die persönliche Beziehung zu unseren Kunden pflegen und gemeinsam mit ihnen neue Lösungen entwickeln. Wir bieten auch viel Service an. Insgesamt 40 Ingenieure erarbeiten für unsere Kunden Lösungen. Last but not least verfügen wir über eine überdurchschnittlich hohe lokale Verankerung und sind dadurch sehr nah an unseren Kunden dran.

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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